OZ, 29.03.2005
Es ist geschafft: Der GSV 04 steht im Finale um den Landespokal. Das Team von Trainer Wolfgang Schröder zwang den Favoriten Wismar in die Knie.
Es war beinahe ein meditativer Moment, der im nächsten Augenblick großen Jubel auslöste: Andreas Mai stand regungslos am Elfmeterpunkt, wartete wie versteinert auf den Ball. Mitstreiter Putzki war soeben im Wismarer Strafraum gefoult worden. Der Rostocker Referee Krampikowski zögerte nicht, zeigte sofort auf den Punkt. Genau 17 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit, es stand 1:1. Und noch immer verharrte der GSV-Kicker auf der Stelle. Erst als ihm ein Mitspieler die Kugel reichte, rührte er sich. Der Mittelfeldakteur legte sich das Leder zurecht, einem Ritual gleich. „Ist es auch, ich lasse mir den Ball bringen und konzentriere mich zwischenzeitlich ganz auf den Schuss“, gestand Mai nach der Partie erleichtert. Den Strafstoß nämlich wuchtete er unhaltbar für Anker-Keeper Trommer in die Maschen. Jetzt waren Spieler wie GSV-Fans aus dem Häuschen. Plötzlich stand der Außenseiter mit einem Bein im Endspiel. Gedreht war nun eine Partie, die zu Beginn das Schlimmste befürchten ließ. Die Gastgeber bekamen weder ihre Nervosität noch ihre höherklassigen Gegenspieler in den Griff. Besonders die anfangs überforderten Außenverteidiger sorgten für Lücken, die von den quirligen Gästestürmern gern und konsequent genutzt wurden. Das ordnende und kompromisslose Spiel von Robert Ittermann (verletzt) wurde schmerzlich vermisst. Nach nur drei Minuten der Schock: Es fehlt die klare Aktion in der GSV-Abwehr, schon führte der Oberligist 1:0. Maaßen überlistete Danilo Laß per Flachschuss.
Die Mission „Endspiel“ schien früh gescheitert, zumal Wismar weiter Druck macht und Chancen erspielte. In der 6. Minute muss Laß wiederum in höchster Not retten. Schon kommt von der GSV-Bank lautstark die Aufforderung: „Ihr müsst alle mitmachen“. Aber das Team verliert die Zweikämpfe, die Zuspiele kommen zu spät. Sorge macht sich breit. Das drohende 0:2 aber – wohl die Vorentscheidung – fällt nicht. Stattdessen entkrampfen sich das Spiel der Platzherren und sichtlich auch die Gesichter der über 400 Zuschauer. Die junge Schröder-Truppe findet über den Kampf ins Match. Plötzlich ergibt sich eine Chance, der Schiedsrichter notiert später die 14. Minute: Wismar hat Einwurf am Mittelkreis. Doch Sebastian Mahnke, ein gebürtiger Greifswalder, bringt das Leder nicht zum Mitspieler. Christoph „Bobby“ Riechert ahnt das, beweist einmal mehr sein Gespür. Es geht ganz schnell: Weite Flanke auf Christoph Schmidt, der im Strafraum auf Thomas Hildebrandt spielt. Dieser setzt sich gegen den Anker-Keeper durch, dreht nach dem 1:1 zum Jubeln ab. Vergessen ist die anfängliche Zitterpartie, der Verbandsligist ist wieder im Rennen. Geschickt verengt die Truppe um Kapitän Dirk Erdmann nun die Räume, das Spiel der Gäste wird immer wieder unterbrochen.
Anker Wismar, am Samstag noch mit einem furiosen 3:0-Abstiegserfolg über Schönberg, hatte zwar mehr Ballkontakte (u.a. 8:3 Ecken). Dennoch fehlte die Wirkung, zumal der GSV wirksame Nadelstiche versetzte. Vorm Pausentee tauchte Verteidiger Martin Schmidt überraschend vorm Gästetor auf. Doch statt das Leder abzuziehen, verlassen ihn Kraft und Mut. Er zögert und vertändelt, die Chance war vertan.
In der Halbzeit krachte es in der Gästekabine. Coach Rietentiet wollte seine Schützlinge aus dem Tiefschlaf erwecken. Währenddessen konnte sein Kollege Schröder ruhige Worte finden. Sein Team, das am Samstag ein gerechtes 1:1 beim Hafen Rostock erzielt hatte, war im Soll. Taktisch hervorragend eingestellt, blieb der GSV auch in Durchgang zwei eng am Mann. Der Gegner spielte zwar, wurde aber kontrolliert. Kein attraktives Gekicke, dennoch ein strategisch erfolgreiches. Die Heimelf setzte nun auch in puncto Chancen Akzente, erarbeitete sich u.a. durch Riechert gute Möglichkeiten. Erfolg aber hatte in der 73. Minute wieder einmal Putzki: Das Schlitzohr zog in den Anker-Strafraum, dribbelte geschickt am Gegner vorbei. Seine Rechnung ging auf, das Bein des Abwehrspielers kam, umgehend auch der Pfiff. Nach der 2:1-Führung wehrte sich der Favorit gegen die Pokal-Schlappe. Und wieder killte Danilo Laß eine dicke Chance, die Sebastian Mahnke auf dem Stiefel hatte. Einen Aussetzer konnte sich auch Putzki leisten, der allein aufs Gästegehäuse rannte und zur aller Überraschung vorbei schob. Und wieder das große Zittern, zwei Minuten Nachspielzeit. Doch dann der erlösende Pfiff des Unparteiischen, Begeisterung bei den Fans sowie Freudentänze bei Akteuren und Verantwortlichen: Der Greifswalder SV 04 hat mit enormen Willen und Teamgeist die Halbfinalhürde übersprungen. Jetzt freut man sich auf das Endspiel am 16. Mai.
Der GSV 04 spielte mit: Laß, Hildebrandt, M. Schmidt, Kreutz, Kasch, Erdmann, Chr. Schmidt, Raths (ab 89. Minute Scheibel), Mai, Riechert (ab 85. Weinmar) und Putzki.
Die Trainer zum Spiel:
Wolfgang Schröder, GSV-Coach: Wir wollten einen frühen Rückstand vermeiden, aber die Anfangsphase ging daneben. Wir waren zu nervös. Danach konnten wir Wismar im Mittelfeld stellen, Anker kam nicht mehr ins Spiel. Erstaunt war ich, wie wenig wir dann zugelassen haben. Unsere Marschroute ging auf. Jetzt sind wir begeistert und freuen uns auf das Finale. Zu verlieren gibt es nichts, das ist unsere Chance.
Axel Rietentiet, Wismar: Respekt den Greifswaldern, die verdient im Finale stehen. Wir haben zu wenig gemacht, um uns das Endspiel zu verdienen. Ich bin enttäuscht, dass die Spieler die Chance nicht gepackt haben. Viele waren im Kopf nicht klar, der Schalter ließ sich auch in der Pause nicht mehr umlegen.
Dirk Lenz
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Branco« (29. März 2005, 08:00)